Schreibblockaden
Die Blockade beim Schreiben
Ein eigenes Buch schreiben, das ist der Traum vieler Hobbyautorinnen und -autoren. Dabei ist es meist nicht so schwer, mit seinem Manuskript anzufangen, die Figuren sind im Kopf und der Umriss der Geschichte ist auch schon da. Die ersten zwanzig, vierzig Seiten werden, angespornt von immer neuen Ideen, bald eingetippt.
Doch dann ist plötzlich Schluss. Sie kommen einfach nicht mehr weiter. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Warum es so schwierig ist, sein Werk zu beenden ...
Es muss perfekt sein
Wenn Sie an einem Buchmanuskript arbeiten, haben Sie das Gefühl beizeiten kennengelernt: Bis tief in die Nacht schreiben Sie, durch einen Geistesblitz nach dem anderen gejagt und höchst motiviert, gleich einige Seiten Ihres Textes, der mit nichts, aber auch gar nichts in der Bücherwelt zu vergleichen sein wird. So gut ist er. Sie legen sich erschöpft hin und schlafen zufrieden ein.
Am nächsten Tag lesen Sie die Seiten durch und denken, das, was da geschrieben steht, ist nicht meins! Was für Zeug! Da es aber vermutlich inzwischen niemand umgeschrieben oder gestohlen und ersetzt hat, ist es wohl Ihres. Was tun?
Ruhe bewahren ist immer gut. Schreien Sie nicht in den Garten hinaus: „Ich kann überhaupt nicht schreiben!“
Bedenken Sie, dass es nicht nur Ihnen so geht. Suchen Sie aus den Seiten das heraus, was Sie brauchen können. Es ist sicher etwas dabei. Schreiben Sie es nochmal. Aber nicht jetzt.
Viel besser ist, schreiben Sie einfach weiter, sofern die letzten Seiten den Verlauf Ihrer Geschichte nicht verändert haben. Die Überarbeitung ist sowieso Pflicht für diese erste Fassung des Manuskripts und kann später gemacht werden. An dieser Stelle ist es wichtiger, den Faden nicht zu verlieren. Arbeiten Sie am Fortkommen der Geschichte.
Einer der Hauptgründe, dass man sein Werk nicht zu Ende bringt, ist das stetige und oft sogar zwanghafte Verbessern von bereits Geschriebenem.
Die Luft geht aus
„Ich schreibe für mein Leben gern, es ist mein Hobby. Ich finde es auch gut, was ich schreibe, aber irgendwann macht es keinen Spaß mehr. Es wird so mühsam, dass ich mich gar nicht mehr damit auseinandersetzen will.“
Wenn Sie dieser Aussage zustimmen, glauben Sie möglicherweise, dass Schreiben Vergnügen bereiten sollte. Film und Fernsehen Fernsehen zeigen es: Der Autor hat Freude daran, hie und da ein paar Seiten zu tippen, eine willkommene Abwechslung zu seinem aufregenden Leben, irgendwann kommt der Schlusssatz und alles ist fertig. Jeder Anschlag der Tasten hat ihn mit tiefer Zufriedenheit erfüllt, nun legt er seine Hände auf den Hinterkopf und lehnt sich mit einem stolzen Lächeln zurück. Ja, es wird ein Bestseller.
Ein bisschen zur Entspannung in die Tasten hauen und dafür wird man auch noch berühmt – so sehen nicht wenige Menschen, die noch nie einen längeren Text geschrieben haben, die Arbeit eines Schriftstellers oder einer Schriftstellerin. Gerade aber auch in manchen Köpfen von selbst Kreativen spukt ein ähnliches Bild herum, für die sich das Schreiben dann nicht mehr richtig anfühlt, weil es keinen Spaß mehr macht. Sie glauben vielleicht sogar, es sei ein Grund damit aufzuhören, weil sich die großen Gefühle dabei nicht richtig einschalten beziehungsweise sie sich bereits ab Seite 20 verabschiedet haben.
Keine Zeit für Fernsehmärchen von erfüllten Schriftstellern, die in Nahaufnahme ENDE unter den letzten Satz schreiben, das Ding an einen Verlag schicken und ausgesorgt haben.
Stattdessen willkommen im Reich der Arbeit. Schreiben ist harte Arbeit, das ist eine einfache Wahrheit. Es gilt dranzubleiben, auch oder gerade dann, wenn es nicht so leicht von der Hand geht. Das erfordert ein hohes Maß an Ausdauer und Selbstdisziplin. Schriftstellerinnen und Schriftsteller wissen auch, es handelt sich mit der Fertigstellung des Manuskripts nicht etwa um ein ENDE, sondern erst um einen Teil des Ganzen. Danach steht eine gründliche Überarbeitung der ersten Fassung bevor, und die ist garantiert selten ein vergnügliches Unterfangen.
Wenn Sie schreiben wollen, sollten Sie sich vom anfänglichen Gedanken des bloßen Spaßfaktors oder des Zufriedengestelltwerdens verabschieden und akzeptieren, dass es sich dabei um anstrengende Arbeit handelt.
Leider. Fragen Sie einen Bestseller-Menschen.
Wer für sein Manuskript den nötigen Einsatz aufbringt, wird aber durchaus erfüllende Momente erleben!
Zweifel
Zwischendurch von Zweifeln überfallen zu werden, ob der eigene Text überhaupt so gut ist, wie man ihn im Kopf hat, und interessant genug für das Publikum sein wird, ist wohl eher normal. Entscheidend ist, diese Zweifel nicht Ihren Schreibprozess blockieren zu lassen. Während des Schreibens ist keine Zeit dafür, Sie geben einfach Ihr Bestes.
Manche Schreibende, die an ihren ersten Texten arbeiten, meinen, zeitweiliges Zweifeln am eigenen Werk sei bereits ein Zeichen von Unvermögen, ein Hinderungsgrund, sein Manuskript fertigzustellen. Das ist es nicht. Etwas anderes ist es, wenn Sie Ihre Geschichte selbst als schlecht empfinden oder das Gefühl haben, dass an ihrem Aufbau etwas nicht stimmt. Dann sollten Sie alles gründlich überdenken und vielleicht auch neu anfangen.
Den Zweifeln sollte beim Schreiben selbst kein Platz gelassen werden. Sie stören Ihre Konzentration. Zweifeln kann man später immer noch, etwa, wenn man sein Werk vor der geplanten Veröffentlichung mehreren Bekannten zu lesen gegeben hat, und die Rückmeldungen lauten überwiegend: „Was soll ich sagen …“
Selbst dann ist es kein Grund, sein Manuskript tief gekränkt bei Neumond in einem eigens dafür angezündeten Feuer zu verbrennen und sich zu schwören, es nie, nie wieder zu tun. Immerhin haben Sie das Werk fertiggestellt, Sie haben Ausdauer bewiesen, und Sie können den verschmähten Text als eine wertvolle Übung betrachten.
Desto mehr Sie schreiben, desto besser werden Sie schreiben können.
Keine Zeit
Keine Zeit bedeutet, neben wirklich knapper gewordener Zeit, öfters auch Mangel an Motivation.
Wir sagen das gerne, weil wir die Lust am Weiterschreiben verloren haben. Es macht plötzlich zu viel Arbeit, wir möchten die Disziplin nicht mehr aufbringen. Das Durchhalten gehört aber dazu.
Keine Frage, das Schreiben benötigt viel Zeit und Energie. Wenn Sie von Montag bis Freitag einem anstrengenden Job nachgehen müssen, bleibt für das Werk oft nur ein wenig davon am Abend übrig, mehr am Wochenende, und da erfordert es nicht selten Ihren Verzicht auf etwas anderes. Da Schreiben Arbeit ist und Konzentration erfordert, fällt es gerade abends nach einem langen Tag besonders schwer.
Ihre Arbeit am Vorankommen des Textes sollte aber nie für längere Zeit unterbrochen werden, da Sie sonst wirklich jede Menge Zeit brauchen werden, wenn Sie sich dem Manuskript erneut widmen wollen. Um sinnvoll anknüpfen zu können, müssen Sie sich erst wieder mühsam in die Geschichte einlesen beziehungsweise hineindenken. Bei einem umfangreichen Werk mit nicht linearen Handlungssträngen ist die Gefahr groß, schon beim Einlesen daran zu denken, endlich mal wieder den Staubsauger einzuschalten. Dabei könnten Ihnen zusätzlich verbesserungswürdige Szenen oder Rechtschreibfehler auffallen, die Sie gleich in Angriff nehmen wollen.
Am Ende hat es Stunden gedauert und Sie sind keinen Schritt weiter. Mit mehrmaligen längeren Pausen beim Schreiben können Sie die Fertigstellung Ihres Manuskripts zuverlässig verhindern!
Kein Plan
So verlockend es klingt: Ich denke mir grob meine Hauptfiguren aus, stelle sie am Anfang der Geschichte an einen Schauplatz und werfe sie in ein Ereignis, rühre die Szene gut um, haue lustvoll in die Tasten und die Geschichte entwickelt sich wie von selbst. Möglich, aber welche Geschichte, und wohin? Als Ergebnis bleibt möglicherweise nur das Umgerührte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass erfolgreiche Schriftsteller auf diese Art schreiben, aber selbst wenn, werden sie wohl bald nicht drum herumkommen, sich Gedanken darüber zu machen, wer genau ihre Figuren eigentlich sind und zu welchen weiteren Ereignissen und zu welchem Ende die Geschichte führen soll. Wie kann ein Text stimmig und spannend werden, wenn sein Schöpfer/seine Schöpferin nicht weiß, in welche Richtung er geht? Welche Idee oder Aussage liegt dem Manuskript zugrunde?
Einzelne Szenen brauchen einen Sinn und logischen Grund, um das Gesamtwerk zu bereichern. Sie sind Bausätze eines Ganzen. Besonders wichtig ist die Erschaffung von starken Hauptfiguren, die für die Leserinnen und Leser ein Gesicht haben müssen, und deren Entwicklung, auf welche Weise auch immer, sie nachvollziehen können. Szenen und Figuren müssen gut durchdacht sein.
Zum Schreiben gehört ein Plan, zumindest aber eine gute Skizze. Ob der Plan erst beim Schreiben entsteht und sich bis ins Detail erschließt oder vorher akribisch ausgearbeitet wird, ist Sache des Autors oder der Autorin. Der Plan kann auch abgeändert werden. Hauptsache, da ist einer.
Bedenken Sie, ein Wirrwarr muss immer aufgelöst werden und verhindert beim Fortschreiten der Geschichte wegen des Eindrucks eines aussichtslosen Unterfangens nicht selten den Abschluss eines Manuskripts.
Angst
Angst ist hier nicht zu verwechseln mit dem zeitweiligen und als normal anzusehenden Zweifeln an der eigenen Arbeit. Es geht um die Angst, im Mittelpunkt zu stehen oder auch – die Angst vor Erfolg.
Stellen Sie sich vor, Sie schreiben einen Bestseller, der auf der ganzen Welt erfolgreich verkauft wird. Das ist das, was alle Autorinnen und Autoren zunächst erträumen. Dann folgen viele lobende und kritische Rezensionen, Interviews, in denen oder nach denen Sie in sämtlichen Medien nebst Preisungen mehr oder weniger auseinandergenommen werden, Zeitungsberichte mit Autorenporträts, Fragen oder Fragwürdiges über Ihr Buch auf der Straße, auch über Sie und Ihr Leben, Live-Fernsehauftritte, Lesungen vor großem Publikum … Ist das noch Ihr schöner Traum oder jagt Ihnen die Vorstellung Angst ein?
Das ist ein Extrembeispiel, so weit müssen wir auch nicht gehen. Die Chance, unbekannterweise einen Welt-Bestseller zu landen, ist ohnehin gering. Es reicht ein erfolgreiches Buch. Vielleicht flößt sogar nur der Gedanke an eine Lesung Unbehagen ein. Es kann diese Angst sein, nämlich im Mittelpunkt zu stehen, die die Fertigstellung Ihres ersten Manuskripts verhindert. Wenn das Buch erfolgreich ist, will man Sie sehen, wissen, wer Sie sind.
Mein Tipp: Wenn Sie überzeugt davon sind, Ihr Werk sei gut geschrieben und hätte etwas Besonderes zu bieten, fragen Sie sich, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Vermutlich nicht viel. Dann kann man nur gewinnen.
Erfolgsdruck
Autorinnen und Autoren, die bei einem Verlag unter Vertrag stehen und jeweils zu vorgegeben Zeiten ein neues Manuskript für einen Bestseller produzieren sollen, sind Erfolgsdruck ausgesetzt, das kann man leicht nachvollziehen. Er kann neben diesem Umstand auch selbst auferlegt sein, wenn man meint, das nächste Buch müsse unbedingt und um jeden Preis besser sein als das vorherige.
Und dann sind da noch die Medien: „Reicht bei Weitem nicht an den Titel Soundso heran!“, „Erwartungen wurden enttäuscht!“ oder gar: „Erfolgsautor Soundso schrieb seinem letzten Buch entgegen!“ – Wer würde sich davor nicht fürchten? Spitzensportlerinnen und -sportlern geht es im übertragenen Sinn ebenso, wie vielen anderen Menschen, die durch ihre besonderen Leistungen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
Bei einem Autor, der sein erstes Manuskript fertigstellen will, kann im Rahmen seines Umfelds jedoch ebenso Erfolgsdruck entstehen. Vor allem, wenn er (zu Recht) stolz darauf ist, bis auf die Überarbeitung der letzten paar Seiten alles geschafft zu haben. Und freudig überall davon erzählt.
Alle werden ihn fragen, ob er schon fertig ist, wenn sie ihn am nächsten Tag im Supermarkt treffen. Seine Mutter wird Tante Ida und alle ihre Nachbarn fragen, ob sie zur bevorstehenden Lesung kommen, und deren Zusage begeistert dem künftigen Schriftsteller kundtun. Freunde werden sagen, dass sie sich auf das tolle Werk freuen und es kaum erwarten können. Die Erwartungen sind hoch.
Der Anspruch des Autors an sein eigenes Werk hingegen hat inzwischen sagenhafte Ausmaße angenommen. Während er zu Anfang dachte, es ist ziemlich gut, dachte er bald, es soll mindestens außerordentlich gut sein, starrt er nun auf seine ausgedruckten Seiten mit nur einem übermächtigen Gedanken im Kopf: Es muss perfekt sein! – Und das ist es verdammt nicht.
Vielleicht arbeitet er unter dem selbst auferlegten Druck dieses völlig überzogenen Anspruchs Tag und Nacht an seinem Manuskript herum, bis es schlechter ist als vorher, vielleicht vernichtet er es sogar. Jedenfalls kommt er zu keinem Ende. Irgendwann wird auch niemand mehr nach seinem Buch fragen. Alle wissen, es wird nie fertig.
Ist das erfreulicher als das Bewusstsein, etwas Besonderes geleistet zu haben? Es ist gesund und notwendig, einen hohen Anspruch an das eigene Werk zu haben. Erliegen Sie aber nicht der Dämonin Perfektion. Schreiben Sie Ihr Manuskript fertig und geben Sie Ihr Bestes dabei. Haben Sie damit Erfolg oder nicht. Jedenfalls haben Sie etwas Großes geleistet.
Es wird ein Buch!
Ihre Lektorin Sonja Mischkulnig ©
Bildquellen: Pixabay, Lektorat Mischkulnig Klagenfurt